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15.02.2010 | Von: RAin Ulrike Specht

BGH: Anlageberater zur zeitnahen Durchsicht der Wirtschaftpresse verpflichtet

Kapitalanlagevermittler müssen zeitnah die führenden Presseorgane der Wirtschaftspresse auf Meldungen bezüglich der von ihnen vermittelten Kapitalanlage durchsehen und einschlägige Artikel auswerten.

Dem am 05.11.2009 vom Bundesgerichtshof (BGH, Az. III ZR 302/08) entschiedenen Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau Schadenersatz wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung. Der Beklagte hatte der Ehefrau des Klägers am 10.12.1998 zum Abschluss der stillen Beteiligung an der Fa. r. geraten, obgleich am 04.12.1998 das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen der Fa. r. das Betreiben von Einlagegeschäften auf der Grundlage sog. stiller Gesellschaftsverträge untersagt hatte. Dies wurde am 07.12.1998 im Handelsblatt in einer kleinen, siebenzeiligen Meldung mit der Überschrift „Bankenaufsicht geht gegen r. vor“ veröffentlicht. Der Beklagte bezog das Handelsblatt nicht. Die Klägerin erfuhr von der Untersagungsverfügung im November 2000 durch die Fa. r., die ihr die ihr eine neue Beteiligung empfahl. Der Beklagte riet der Ehefrau des Klägers die Zeichnung der weiteren Beteiligung. Die Fa. r. war kurze Zeit später insolvent.

Nach Auffassung des BGH haftet der Vermittler aus Beratungsvertrag mit der Ehefrau des Klägers, weil er pflichtwidrig nicht auf die Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamts hingewiesen hatte und auch nicht offengelegt hatte, dass er die Wirtschaftspresse insoweit nicht ausgewertet hatte. Der Anlageberater habe sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen, das er empfehlen will. Dazu gehört nach Auffassung des Senats auch die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen der Wirtschaftspresse. Zwar müsse der Vermittler nicht sämtliche Publikationen beziehen. Er könne eine Auswahl treffen, solange er nur über ausreichende Informationsquellen verfüge.

Das Handelsblatt gehört zu den von der Rechtsprechung besonders hervorgehobenen vier führenden Organen der Wirtschaftpresse. Die Auswertung der Wirtschaftpresse hätte zeitnah erfolgen müssen. Wie lange eine solche Frist mindestens sein muss, ließ das Gericht offen. Nach Ablauf von drei Tagen wäre für den Beklagten hier die Prüfung jedoch geboten gewesen. Gerade im sich schnell ändernden Finanzbereich muss die Auswertung so schnell als möglich erfolgen. Von Bedeutung ist dabei auch die Erscheinungsweise des Presseorgans. Deshalb sei für werktäglich erscheinende Presseerzeugnisse unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Anlegers jedenfalls eine Kenntnisnahme nach Ablauf von drei Tagen nicht mehr pflichtgemäß. Der Vermittler müsse die Presseorgane nicht vollständig lesen. Jedoch müsse er diese auf relevante Artikel zu den von ihm angebotenen Anlageprodukten durchsehen und diese Nachrichten auswerten. Es könne nach Auffassung des Gerichts auch nicht darauf ankommen, dass es sich nicht um gehäufte negative Presseberichte handelte. Denn hier ging es um die amtliche Untersagung des Kerngeschäfts der Gesellschaft und nicht um reine Werturteile.

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