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27.03.2008 | Von: Rechtsanwältin Andrea Pfundstein

Optische Überwachung von Arbeitnehmern

Die Berichte über den Lebensmitteldiscounter Lidl führen zu erneuten Diskussionen über die Zulässigkeit von optischen Überwachungen am Arbeitsplatz.

Die sog. offene weil für jeden Arbeitnehmer sichtbare und wissentliche Videoüberwachung ist dann zulässig, wenn das Kontrollinteresse des Arbeitgebers das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers am Schutz des grundrechtlich normierten Persönlichkeitsrechts überwiegt. Gegen Arbeitgeberinteressen gerichtete Straftaten wie z.B. Diebstahl, Unterschlagung und Sachbeschädigung können so einen Fall darstellen, allerdings nur bei konkretem Tatverdacht gegen eine bestimmte Person oder Personengruppe. Auch darf eine Abhilfe auf anderem Wege (z.B. sog. Torkontrollen bei Diebstahlsverdacht) nicht erreichbar sein. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Unternehmen ist zu beachten.

Eine offene Überwachung, um die Arbeitsintensität und das Verhalten am Arbeitsplatz zu kontrollieren, ist unzulässig. Gleiches gilt für die heimliche Videoüberwachung ohne konkrete Verdachtsmomente.

In größeren Unternehmen werden zur Regelung dieser auch datenschutzrechtlich relevanten Sachverhalte häufig Betriebsvereinbarungen geschlossen. Eine Lösung des Problems "Rechtfertigung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht" über eine Betriebsvereinbarung ist gleichwohl fraglich, wie eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus 2004 zeigt (vgl. BAG Beschluss vom 14.12.2004, Az. 1 ABR 34/03).

Die Deutsche Post AG hatte sich in einem ihrer Briefverteilungszentren mit dem zuständigen Betriebsrat über die Installation von Videoüberwachungsanlagen nicht einigen können. Die angerufene Einigungsstelle fällte zwar zugunsten des Arbeitgebers den Spruch über "die Einführung, den Einsatz und den Betrieb einer Videoanlage sowie die Verwertung, Aufbewahrung und Vernichtung der dabei gewonnenen Erkenntnisse und Aufzeichnungen". Die entsprechende Betriebsvereinbarung regelte auf den ersten Blick sehr detalliert den Zweck, Art und Dauer der Nutzung der Videoanlage sowie das Verbot zur Nutzung der Erkenntnisse für Leistungs- und/oder Verhaltenskontrollen.

Der Betriebsrat war jedoch in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglich mit seinem Antrag, die Unwirksamkeit des Spruches der Einigungsstelle wegen rechtswidrigen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Mitarbeiter und unangemessenen Einsatzes der Videoanlage festzustellen.

Zwar sieht das Betriebsverfassungsgesetz in § 87 Abs. 1 Nr. 6 die Möglichkeit der Einführung einer Videoüberwachung im Betrieb im Wege einer Betriebsvereinbarung vor. Aber auch hier müssen die Einschränkungen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des einzelnen Arbeitnehmers von den Betriebsparteien beachtet werden. Werden Arbeitnehmer für die Dauer ihrer täglichen Arbeitszeit (hier im Schichtbetrieb) einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, müssen sie jederzeit damit rechnen, gefilmt zu werden und ist es subjektiv nicht für sie erkennbar, wann die Anlage überhaupt in Betrieb ist, so stellt dies nach Ansicht des BAG einen erheblichen Eingriff dar.

Die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Videokameras für jedermann sichtbar angebacht und alle Arbeitnehmer ausdrücklich auf ihr Vorhandensein hingewiesen hatte, half dem Arbeitgeber nicht weiter.

Auch die grundsätzliche Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, in Verbindung mit dem Weiterarbeiten in Kenntnis der Installation der Videoanlagen stellt keine Einwilligung des Arbeitnehmers in diesen erheblichen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht dar.

Fazit: Dem Arbeitgeber kann nur empfohlen werden, bei konkreten Verdachtsmomenten für eine strafbare Handlung alle sonstigen Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen, bevor er zur Videoüberwachung greift. Hier kann im Einzelfall auch tatsächlich die Unterstützung durch die örtlich zuständige Polizei gefragt sein.

Auf Leistungsschwächen und die vermutete Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten ist zulässigerweise nur durch Mitarbeitergespräche, regelmäßige objektive Beurteilungen und nötigenfalls durch Abmahnungen bis hin zur Kündigung zu reagieren.

 

 

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