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13.12.2010 | Von: Rechtsanwältin Ulrike Specht

Auslegung einer Vermächtnisanordnung

Findet sich in einem privatschriftlichen Testament neben einer Vermächtnisanordnung auch der Satz „eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht vornehmen“, so bedeutet dieser nicht zwingend den Widerruf einer früheren Erbeinsetzung.

Das Oberlandesgericht München (OLG München, Beschluss vom 05.08.2010, Az. 31 Wx 001/10) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Erblasser zunächst im Jahre 1984 in einem Testament seine Lebensgefährtin als Alleinerbin und ihren Neffen als Ersatzerben einsetzte. 1995 errichtete er erneut zwei Testamente, in denen er jeweils seiner Lebensgefährtin vermächtnisweise seinen Anteil an zwei gemeinsamen Eigentumswohnungen zuteilte. In beiden Testamenten traf er unter anderem die Bestimmung: „Eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen.“

Die Lebensgefährtin beantragte unter Bezugnahme auf das erste Testament die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist. Die später geregelten Vermächtnisse sollten nach ihrer Auffassung lediglich den Ausschluss des Sohnes sicherstellen.

Der Sohn des Erblassers war hingegen der Auffassung, der Erblasser habe mit dem Testament von 1995 klargestellt, dass seine Lebensgefährtin nun doch nicht Erbin werden solle. Die vorangegangenen Testamente habe sein Vater damit widerrufen wollen; er sei daher gesetzlicher Erbe geworden. Im Raum standen auch die Vorgänge im Rahmen eines gemeinsamen Notartermins.

Das OLG München hielt die Entscheidung des Landgerichts aufrecht. Die Lebensgefährtin sei Alleinerbin aufgrund des Testaments von 1984. Die Testamente von 1984 und 1995 stünden weder inhaltlich noch vom Geltungswillen des Erblassers zueinander in Widerspruch. Keine Rolle spiele es, ob der Erblasser an das frühere Testament gedacht hätte. Auch nach einer Alleinerbeneinsetzung sei ein Vorausvermächtnis möglich. Bezüglich der Glaubwürdigkeit der Angaben der Beteiligten sei einzig tatrichterliche Überzeugung maßgeblich. Aus der Vermächtnisanordnung sei nicht zwingend zu schließen, dass der Erblasser die frühere Erbeinsetzung widerrufen wollte.

Der vorliegende Fall zeigt sehr anschaulich, wie schnell Tatsachenfragen unter Wertungsgesichtspunkten entschieden werden, wenn unklare Formulierungen gewählt werden. Es sollte daher stets darauf geachtet werden, zugrundeliegende Intentionen klar herauszustellen und auf die Stimmigkeit unterschiedlicher Verfügungen zu achten.

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Ulrike Specht

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