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Hier finden Sie aktuelle Blogbeiträge unserer Rechtsanwälte zu rechtlichen Themen rund um den Bereich Erbrecht, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht. Wir geben Ihnen viele nützliche Praxistipps rund um diese Themen und informieren Sie stets über aktuelle Gesetzesänderungen. 

 

21.07.2015 | Von: Rechtsanwältin Ulrike Specht

Erbrecht und Vorsorge: Regelungen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen teilweise verfassungswidrig

Der BGH hält die Regelung zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz für verfassungswidrig.§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB regelt, dass eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig ist, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens unter anderem ein ärztlicher Eingriff notwendig ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine ärztliche Zwangsbehandlung ohne Unterbringung nicht stattfinden kann.

In dem Ausgangsverfahren geht es um eine 63-jährige Betroffene, die schwer erkrankt ist, einer Behandlung jedoch widerspricht. Aufgrund ihrer Erkrankung kann sie sich nicht mehr selbstständig fortbewegen. Die von ihrer Betreuerin beantragte Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung sowie ärztliche Zwangsmaßnahmen haben sowohl das Amts- wie auch das Landgericht verweigert. Eine freiheitsentziehende Unterbringung komme nach den gesetzlichen Vorgaben nicht in Betracht, weil die Betroffene bettlägerig sei und keinerlei Weglauftendenzen zeige. Die Anordnung ärztlicher Zwangsmaßnahmen könne jedoch ohne eine geschlossene Unterbringung nicht stattfinden, da das Gesetz dies nicht vorsehe.

Der BGH stimmt mit den Rechtsansichten der Vorinstanzen überein. Jedoch hält er die Vorschrift wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz für verfassungswidrig. Er sieht hierin einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Die alleinige Anordnungsmöglichkeit von ärztlichen Zwangsmaßnahmen nur bei zivilrechtlich Untergebrachten führe zu dem abstrusen Ergebnis, dass dem Wortlaut nach einem noch zum „Weglaufen“ Fähigen geholfen werden kann. Derjenige jedoch, der aufgrund der Krankheit schon zu schwach für ein räumliches Entfernen ist, müsse auch bei schwersten Erkrankungen seiner Krankheit überlassen bleiben, da hier keine ärztlichen Zwangsmaßnahmen, mangels Unterbringung, möglich seien. Dies widerspreche jedoch dem Zweck der Vorschrift, den Betroffenen gewissermaßen vor sich selbst zu schützen, wenn er krankheitsbedingt keinen freien Willen mehr bilden kann.

Fazit:

Nach der aktuellen Rechtslage ist eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur dann möglich, wenn auch eine zivilrechtliche Unterbringung des Betroffenen zulässig ist. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht, dem der BGH diese Frage vorgelegt hat, die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift beurteilen wird.

Regensburg, 21.07.2015

Ulrike Specht
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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