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Hier finden Sie aktuelle Blogbeiträge unserer Rechtsanwälte zu rechtlichen Themen rund um den Bereich Erbrecht, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht. Wir geben Ihnen viele nützliche Praxistipps rund um diese Themen und informieren Sie stets über aktuelle Gesetzesänderungen. 

 

24.02.2014 | Von: RAin T. Auburger, LL.M.

Zahlungsverzug mit einer Folgeprämie – Mehrheit von Versicherungsnehmern

Bei einer Mehrheit von Versicherungsnehmern hat die Fristsetzung wegen Zahlungsverzugs mit einer Folgeprämie gemäß § 39 Abs. 1 VVG a. F. (jetzt § 38 Abs. 1 VVG), auch wenn diese unter derselben Anschrift wohnhaft sind, nur durch gesonderte schriftliche Mitteilung gegenüber jedem Versicherungsnehmer einzeln zu erfolgen. Dies entschied der BGH mit Urteil vom 08.01.2014, Az. IV ZR 206/13. Unterbleibt also die gesonderte Mitteilung, gilt die Mitteilung als nicht erfolgt.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Risikolebensversicherung für verbundene Leben geltend. Versicherungsnehmer sowie jeweils versicherte Person der Risikolebensversicherung waren ausweislich des Versicherungsscheins der Schuldner sowie seine Lebensgefährtin.

Die Beklagte forderte von beiden Versicherungsnehmern den Beitragsrückstand i. H. v. 318,42 € innerhalb einer Frist von zwei Wochen. Bei dem Mahnschreiben vom 29.06.2008 handelte es sich um ein an den Schuldner sowie dessen Lebensgefährtin unter deren gemeinsamer Anschrift gerichtetes Schreiben.

Dem Versicherungsvertrag lagen die „Allgemeine Bedingungen für die Risikoversicherung“ zu Grunde. In dem Schreiben hieß es ferner:

„… Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und sind Sie bei Eintritt der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten ganz oder teilweise in Verzug, so sind wir von der Verpflichtung zur vollen Leistung frei; wir sind dann nur zu der Leistung verpflichtet, die zu erbringen wäre, wenn sich die Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung mit herabgesetzter Versicherungssumme umgewandelt hätte. Wird der angemahnte Betrag innerhalb der Frist nicht gezahlt und besteht Zahlungsverzug, sind wir berechtigt, den Versicherungsvertrag zum Ablauf der Ihnen gesetzten Frist zu kündigen.

Von diesem Recht machen wir hiermit Gebrauch und kündigen den Versicherungsvertrag gemäß Versicherungsvertragsgesetz zum Ablauf der Ihnen gesetzten Frist …“

Die Lebensgefährtin des Schuldners verstarb ca. einen Monat nach Eingang des Mahnschreibens, ohne dass die rückständige Prämie bis zu diesem Zeitpunkt gezahlt worden wäre. Die Leistungen aus der Risikolebensversicherung wurden von der Beklagten abgelehnt.

Das in erster Instanz gewonnene Verfahren wurde in zweiter Instanz zugunsten der Beklagten entschieden. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg.

Das Mahnschreiben war sowohl an den Schuldner als auch an dessen Lebensgefährtin gerichtet gewesen, da dem Adressfeld beide Empfänger unter derselben Anschrift eindeutig entnommen werden konnten. Zunächst hat der BGH angemerkt, dass das qualifizierte Mahnschreiben der Beklagten wirksam zugegangen sei. Für den Zugang genüge es nach § 130 BGB, wenn das Schreiben so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH-Beschluss vom 21.06.2011, II ZB 15/10, NJW-RR 2011, 1184 Rn. 15). Der Zugang bei der Lebensgefährtin des Schuldners war mithin bereits dadurch erzielt, dass das Schreiben in den gemeinsamen Briefkasten gelegt wurde, sodass sie die Möglichkeit hatte, hiervon Kenntnis zu nehmen.

Das Gericht hat jedoch angenommen, dass unabhängig von der Frage des wirksamen Zugangs gemäß § 130 BGB, die Mahnung der Beklagten durch das Schreiben vom 29.06.2008 deshalb unwirksam war, weil ein an mehrere Versicherungsnehmer gerichtetes qualifiziertes Mahnschreiben gemäß § 39 VVG a. F. (entsprechendes gilt für § 38 VVG n. F.) nicht in einem Schreiben zusammengefasst werden darf. Vielmehr muss der Versicherer, selbst wenn die Versicherungsnehmer unter derselben Anschrift wohnen, an jeden von ihnen eine gesonderte qualifizierte Mahnung richten. Maßgebend dafür, dass die qualifizierte Mahnung in einem gesonderten Schreiben gegenüber jedem einzelnen Versicherungsnehmer ausgesprochen werden muss, ist die Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer. Der Versicherungsnehmer muss unmissverständlich und umfassend auf die ihm drohenden Säumnisfolgen und die ihm offenstehenden rechtlichen Möglichkeiten, ihnen zu begegnen und Versicherungsschutz zu erhalten, hingewiesen werden. Das Gesetz fordert gerade ein qualifiziertes Mahnschreiben, um den Versicherungsnehmer die Gefahr des Verlustes des Anspruchs bei späterem Eintritt des Versicherungsfalls vor Augen zu führen. Wegen dieser weitreichenden Wirkung sind daher an den Inhalt des qualifizierten Mahnschreibens strenge Anforderungen zu stellen.

Diesem Ergebnis steht die Wertung des § 130 BGB nicht entgegen. Eine Willenserklärung ist bereits dann zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Hierbei ist eine tatsächliche Kenntnisnahme für den Zugang gerade nicht erforderlich. Das qualifizierte Mahnschreiben muss hingegen als Ausgleich jedoch gesondert an jeden einzelnen Versicherungsnehmer übersandt werden, um diesem eine möglichst weitgehende Gelegenheit der eigenen Kenntnisnahme zu eröffnen.

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht den Verbraucherschutz im Versicherungsbereich. Der Versicherer ist verpflichtet, jeden einzelnen Versicherungsnehmer gesondert auf einen möglichen Prämienverzug und die sich daraus ergebenden nachteiligen Rechtsfolgen hinzuweisen.

Regensburg, den 24.02.2014

Tatiana Auburger, LL.M. (geb. Psiuk)
Rechtsanwältin
Referat Versicherungsrecht / Versicherungsvertriebsrecht

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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