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24.05.2023 | Von: Rechtsanwalt Michael Hannig

ChatGPT und das Urheberrecht – Darf ich die Texte bedenkenlos verwenden?

Das Online-KI-Tool ChatGPT zieht derzeit große Aufmerksamkeit auf sich. Das Tool wirbt damit, im Prinzip jede Fragestellung mit einem eigens generierten und sprachlich (weitgehend) sauberen Text beantworten zu können. Der potentielle Anwendungsbereich ist dabei im Prinzip uferlos: Es können einfache Fragen beantwortet jedoch auch komplexere Aufsätze oder sogar Schriftsätze und Verträge erstellt werden. Zumindest in der Theorie – wie gut diese ausgeworfenen Texte dann jeweils sind, steht auf einem anderen Blatt und spielt für die hier vorgenommene urheberrechtliche Betrachtung erst einmal keine Rolle.

Einem Juristen drängen sich bei der Verwendung von ChatGPT im Wesentlichen folgende Fragen auf:

  1. Besteht für die von ChatGPT generierten Texte urheberrechtlicher Schutz?
  2. Verletze ich Rechte Dritter, wenn ich die von ChatGPT generierten Texte verwende?

Nun, um die erste Frage zu beantworten, hilft ein Blick ins UrhG, dort § 2 Abs. 2. Demnach sind urheberrechtlich geschützte Werke ausschließlich persönliche geistige Schöpfungen, also die eines Menschen, nicht eines Computers. Prinzipiell genießen die von ChatGPT erzeugten Texte daher keinen urheberrechtlichen Schutz, da sie nicht von einem Menschen geschaffen wurden. Je konkreter jedoch die Vorgabe des Nutzers an den auszugebenden Text ist, desto eher kann eine menschliche Schöpfung vorliegen – vergleichbar mit dem Bedienen einer Kamera. Bei ganz einfachen Befehlen würde ChatGPT wahrscheinlich bei jedem Nutzer in etwa dasselbe Ergebnis auswerfen. Denkt sich der Nutzer jedoch eigene, konkretere Inhalte/Vorgaben aus, so könnte theoretisch eine Urheberschaft des Nutzers entstehen. Diese Thematik ist gesetzlich allerdings nicht abschließend geregelt.

Unabhängig davon, ob ChatGPT selbst Urheber sein kann oder nicht – und das führt uns direkt zu Punkt 2 – können Texte von ChatGPT dennoch urheberrechtlich geschützt sein und zwar weder von ChatGPT oder dem Nutzer, sondern einem Dritten, von dessen Werk der generierte Text etwas übernommen hat.

ChatGPT kann auf sehr umfangreiche Datensätze zurückgreifen, die ihm im Laufe der Zeit beigebracht wurden und noch werden. Dabei ist jedoch nicht auszuschließen, dass unter diesen „gefütterten Daten“ auch urheberrechtlich geschützte Werke Dritter stehen. Ohne eine Einwilligung dieses Urhebers ist eine Übernahme als eigener Text, eine Vervielfältigung, Verbreitung, etc. grundsätzlich nicht erlaubt.

Ein Beispiel: Ein Schüler oder Student bedient sich für die Erstellung eines Essays zu einem bestimmten Thema ChatGPT. ChatGPT wurde jedoch zu diesem Thema bereits mit einem Dokument angelernt, welches selbst urheberrechtlichen Schutz genießt und aber keine Einwilligung des Urhebers vorliegt, und übernimmt nun in Gänze oder in Teilen eben jenes Dokument und gibt es als eigens generierten Text aus. Der Schüler/Student verwendet dann eben jenen Text im Glauben, ChatGPT habe ihn selbst generiert. Tatsächlich wurde dabei jedoch eine Urheberrechtsverletzung begangen.

Haftbar wäre im Beispiel dann der Schüler/Student, sobald eine Vervielfältigung, Verbreitung, Veröffentlichung o.Ä. stattfindet. Auch, wenn dies dem Schüler/Student nicht klar und von diesem auch nicht beabsichtigt war, so ergeben sich – sollte der Urheber auf diesen „neuen“ Text stoßen, Unterlassungs-, Beseitigungs- und ggf. auch Schadensersatzansprüche.

Zwar soll bei der Entwicklung von ChatGPT nur auf gemeinfreie Texte bzw. solche mit erworbener Lizenz zurückgegriffen worden sein – tatsächlich nachprüfen kann das aber niemand, erst recht nicht der Nutzer. Quellenangaben gibt es auch nicht. Selbst wenn man nach der Ausgabe des generierten Textes einen sog. Plagiats-Scanner verwendet, lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob es sich um ein bereits anderweitig urheberrechtlich geschütztes Werk handelt oder nicht.

Vor dem Hintergrund des Urheberrechts ist die Verwendung von ChatGPT in den Fällen, in denen am Ende eine Verbreitung, Veröffentlichung, o.Ä. des generierten Textes erfolgen soll, durchaus risikobehaftet. Ob und inwieweit Urheberrechtsverletzungen dabei dann natürlich auffallen, steht auf einem anderen Blatt. Es bleibt abzuwarten, ob und welche Gerichtsurteile zu dieser Thematik noch folgen werden.

Bildquelle: pixabay.com

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