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30.10.2012 | Von: Rechtsanwalt Frank Reinel

Arbeitsrecht: Rechtsmissbräuchliche „Kettenbefristung“

Heutzutage gibt es kaum mehr ein Arbeitsverhältnis, das von Anbeginn an auf unbestimmte Zeit geschlossen wird. Vielmehr entspricht es der Lebenswirklichkeit, dass zunächst ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen wird, das bei positiver Bewertung der Arbeitsleistung entfristet wird. In einigen Fällen werden aber Arbeitnehmer über einen langen Zeitraum hinweg mit immer neuen, befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt.

Ein solcher Fall lag auch der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.07.2012 (Az.: 7 AZR 443/09) zu Grunde: Frau Kücük war beim Amtsgericht Köln mit insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen in der Zeit vom 02.07.1996 bis 31.12.2007 beschäftigt. Diese Arbeitsverträge dienten fast durchgängig der Vertretung unbefristet beschäftigter Justizangestellter zu Zeiten, in denen diese beurlaubt waren (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG). Frau Kücük war nun der Ansicht, dass hier ein ständiger Vertretungsbedarf vorliege, der auch durch die Einstellung eines unbefristeten Arbeitnehmers gedeckt werden könne, weswegen ihre befristete Einstellung rechtsmissbräuchlich sei.

Das Bundesarbeitsgericht sah sich aufgrund des Einflusses des Europarechts an einer Entscheidung gehindert und legte daher diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vor. Dieser urteilte am 26.01.2012 (Az.: C-586/10), dass grds. die wiederholte oder gar dauerhafte befristete Einstellung eines Arbeitnehmers zum Zwecke der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers mit Europarecht im Einklang stehe. Die nationalen Stellen (also die Gerichte) müssten allerdings bei jeder einzelnen Verlängerung alle Umstände berücksichtigen, die einen Hinweis auf einen Missbrauch geben könnten. Bei dieser Prüfung könnten sich die Zahl und Dauer der mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinander folgenden Verträge als relevant erweisen.

Dies nahm der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts zum Anlass im vorliegenden Fall zu urteilen, dass das Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarf der Annahme des Sachgrunds der Vertretung nicht entgegensteht. Prinzipiell verbleibt es uneingeschränkt bei den allgemeinen Grundsätzen der Sachgrundprüfung. Im Einzelfall ist jedoch sorgfältig ein Augenmerk auf alle Umstände der Befristung und der Dauer und Gesamtanzahl von aufeinander folgenden Arbeitsverträgen zu richten. Im konkreten Fall wurde das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln daher aufgehoben, da der Siebte Senat bei 13 Verträgen mit einer Gesamtdauer von mehr als 11 Jahren gewichtige Gründe sah, die für einen Rechtsmissbrauch sprachen. Diese muss nun das Landesarbeitsgericht aufklären.

In einem anderen Fall wies der Siebte Senat beim Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18.07.2012 – Az.: 7 AZR 783/10) jedoch die Klage einer Klägerin ab, die vom 01.03.2002 bis 30.11.2009 aufgrund von vier jeweils befristeten Arbeitsverträgen als Vertretung beschäftigt war. Der Senats sah bei einer Gesamtdauer von sieben Jahren und neun Monaten sowie der Anzahl von lediglich vier befristeten Arbeitsverträgen keine ausreichenden Anhaltspunkte, die auf einen Rechtsmissbrauch hindeuteten.

Praxistipp:

Diese divergierenden Entscheidungen ein und desselben Senats lassen viel Raum für Interpretationen. Auf der einen Seite sollen 13 Verträge in 11 Jahren rechtsmiss- bräuchlich sein. Auf der anderen Seite jedoch sind vier Verträge in 7,75 Jahren noch kein Zeichen für Rechtsmissbrauch. Es wäre wünschenswert gewesen, hätte das Bundes- arbeitsgericht eine konkrete Grenze gefunden, ab der widerleglich vom Vorliegen des Rechtsmissbrauchs ausgegangen werden kann. In der Literatur wird derzeit davon ausgegangen, dass bei zehn aufeinanderfolgenden Verträgen in einem Zeitraum von zehn Jahren die „Schmerzgrenze“ erreicht ist. Daher ist jedem zu raten, der über einen derart langen Zeitraum, oder mit einer so hohen Zahl an befristeten Verträgen beschäftigt wird, sich anwaltlich beraten zu lassen, ob nicht schon Umstände vorliegen, die auf einen Rechtsmissbrauch hindeuten und eventuell einen Anspruch auf eine unbefristete Beschäftigung auslösen.

Frank Reinel, Rechtsanwalt
Abteilung Arbeitsrecht, Paluka Sobola Loibl & Partner Rechtsanwälte, Regensburg

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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