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03.09.2010 | Von: Rechtsanwältin Ulrike Specht

Auswirkung der vorweggenommenen Erbfolge auf Pflichtteilshöhe

In Übergabeverträgen ist die Regelung „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ nicht zwingend als Ausgleichsbestimmung zu werten, mit der Folge, dass bei reiner Anrechnung ein geringerer Pflichtteil verbleibt.

In dem vom Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 27.1.201, Az. IV ZR 91/09) entschiedenen Fall wurde dem Kläger von seiner Mutter im Jahre 1982 ein Großhandel übertragen mit der Klausel „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich“. Diesen führte er weitere 14 Jahre fort. Drei Jahre nach der Übertragung setzte die Erblasserin seine Schwester und deren Kinder zu ihren Erben ein, nicht aber den Kläger. Im Jahre 2005 verstarb die Erblasserin. Der Kläger machte gegen die Erben Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.

Der BGH hatte nun die Auswirkungen der Übertragung zu Lebzeiten auf die Pflichtteilsberechnung zu prüfen. In Betracht kommen drei Möglichkeiten, die je unterschiedliche Folgen haben. Handelt es sich um eine Ausgleichung, so ist der Wert der Zuwendung von dem hypothetischen Erbteil abzuziehen und erst von diesem Betrag der Pflichtteil zu berechnen. Soll es eine Anrechnung sein, ist der Pflichtteil zunächst selbst zu berechnen und dann von diesem Pflichtteil der Wert der Zuwendung abzuziehen. Ist beides gleichzeitig gemeint, muss zunächst der Pflichtteil im Wege der Ausgleichung bestimmt und dieser Wert danach um die Hälfte des Zuwendungswertes gekürzt werden.

Für die Einordnung ist der Wille des Erblassers ausschlaggebend. Dieser ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln. Eine Anrechnung liegt nahe, wenn mit der Zuwendung gleichzeitig die Enterbung des Empfängers mit bloßer Pflichtteilsberechtigung beabsichtigt ist. Ausreichend ist hier, dass er die Möglichkeit der Enterbung in Betracht gezogen haben kann, was allerdings praktisch nur schwer nachzuweisen ist. Andererseits könnte der Erblasser den Empfänger nur zeitlich vorgezogen bedenken wollen, wobei es aber bei den rechtlichen Wirkungen einer Zuwendung im Erbfall bleiben soll. Zu berücksichtigen sind hier alle Umstände, auch die zeitlichen Zusammenhänge und die wirtschaftliche Nutzbarkeit der Vermögenszuwendung.

Im Gegensatz zu früheren Entscheidungen ist nunmehr klargestellt, dass die genannte Formulierung nicht automatisch als Ausgleichsbestimmung zu werten ist. Vielmehr bleibt hier Interpretationsspielraum. Zwar liegt die Beweislast dafür, dass eine pflichtteilsmindernde Anrechnungsbestimmung gegeben ist, bei den Erben. Doch muss insgesamt gesagt werden, dass sich die Zuwendenden zunächst darüber im Klaren sein sollten, welche Alternative sie wählen möchten. Dies sollte dann auch klar im Vertrag ausgedrückt werden. Die schlichte Verwendung der Klausel „im Wege vorweggenommener Erbfolge“ könnte sonst zu unliebsamen Ergebnissen führen.

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Ulrike Specht

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