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21.09.2010 | Von: Rechtsanwältin Andrea Pfundstein

Chefarzt als leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ?

Der Fall: Eine Klinik (405 stationäre Betten) mit ca. 530 Mitarbeitern war organisatorisch nach der Geschäftsführungsebene mit einer Betriebsleitung und, dieser untergeordnet, mit acht medizinischen Abteilungen ausgestattet. Die Betriebsleitung hatte einer der Geschäftsführer und die Pflegedienstleitung gemeinsam mit dem ärztlichen Direktor inne. Die medizinischen Abteilungen wurden jeweils von leitenden Abteilungsärzten als Chefärzten geführt.

In zwei Beschlussverfahren (7 ABR 61/06 zur Personalkompetenz und 7 ABR 97/08 zur Unternehmerkompetenz) musste das Bundesarbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrates der Klinik über den Status des Chefarztes als Leiter der geriatrischen Abteilung entscheiden. In dieser Abteilung waren neben dem Chefarzt zwei Oberärzte, fünf weitere Ärzte sowie ca. 26 Mitarbeiter im Pflegebereich tätig. Die Abteilung erwirtschaftete zur Zeit der Entscheidung ca. 12 % des Gesamtumsatzes der Klinik.

Der Chefarzt war gemäß Vertrag als Leitender Angestellter beschäftigt, er war nach Absprache mit den Fachkollegen und im Rahmen des Personalbudgets zur selbständigen Einstellung und Entlassung von ärztlichen Mitarbeitern berechtigt. Zudem war das Budget seiner Abteilung mit ihm abzustimmen. Der Betriebsrat machte geltend, dass der Chefarzt weder aufgrund seiner Personalkompetenz noch aufgrund unternehmerischer Kompetenz als Leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 BetrVG anzusehen sei.

Das Bundesarbeitsgericht stellte zunächst klar, dass die Bezeichnung als Leitender im Vertrag keine eigenständige rechtliche Bedeutung hat, da die Vertragsparteien keine Dispositionmöglichkeit darüber haben, ob ein Leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG beschäftigt wird oder nicht. Ferner sprach das Gericht dem Chefarzt die Personalkompetenz i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG ab, da dieser im Verhältnis zum gesamten Personalvolumen nur eine zahlenmäßig geringe Personalkompetenz inne hatte, ohne dass insoweit auch eine große Bedeutung von diesen Personalentscheidungen für die Klinik ausging.

Zu § 5 Abs. 3 Ziffer 3 BetrVG und der Unternehmerkompetenz führte das Bundesarbeitsgericht aus:"Der (...) erforderliche Einfluss auf die Unternehmensführung kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung schlechterdings nicht vorbeigehen kann". Noch deutlicher wird das BAG in seiner Begründung wie folgt:"Je tiefer die Entscheidungsstufe in der Unternehmenshierarchie liegt, auf der der Angestellte unternehmens- oder betriebsleitende Aufgabenstellungen erfüllt, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume auf den höheren Entscheidungsstufen bereits verbraucht wurden".

Das Budget der Abteilung war mit dem Chefarzt zwar laut Vertrag abzustimmen, er konnte jedoch nicht die letztendliche Investitionsentscheidung treffen. Auch hatte sein Budget keinen für die Klinik erheblichen Umfang. Da die Entscheidungsfreiheit des Chefarztes nahezu ausschließlich im ärztlichen Handlungsbereich lag, und nicht auf Unternehmensebene, lehnte das BAG auch § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ab.

Mit dieser weitreichenden Entscheidung dürfte das Bundesarbeitsgericht für die überwiegende Zahl der Chefarztverträge klargestellt haben, dass der Betriebsrat auch auf Chefarzt-Ebene mit im Boot sitzt.

Kliniken und Krankenhäusern ist zu empfehlen, ihre Chefarztverträge und deren tatsächliche Durchführung auf den Status des Arztes hin zu überprüfen, um nicht Gefahr zu laufen, betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte zu mißachten und unnötige Gerichtsverfahren auszulösen.

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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