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05.05.2020 | Von: Rechtsanwältin Ulrike Specht

Den Pflichtteil entziehen - wie geht das?

Manchmal wünscht sich ein Erblasser, er könnte seinem nächsten Angehörigen jegliche Teilhabe an seinem späteren Nachlass verwehren. Nach deutschem Erbrecht ist dies leider nicht möglich. Denn der Pflichtteil bleibt dem Pflichtteilsberechtigten immer. Pflichtteilsberechtigt sind die nächsten Abkömmlinge des Erblassers, in der Regel also die Kinder, im Ausnahmefall die Enkel und die Ehegatten.

Voraussetzungen für den Pflichtteilsentzug

In bestimmten Fällen lässt das Gesetz auch zu, den Pflichtteil zu entziehen. Allerdings sind die Voraussetzungen sehr eng gefasst. Demnach kommt eine Pflichtteilsentziehung in Betracht, wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser, dessen Ehegatten, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben trachtet. Weiterer Grund wäre, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder die vorgenannten Personen schuldig gemacht hat. Pflichtteilsentziehung solle auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde und deshalb die Teilhabe des Betreffenden am Nachlass des Erblassers für den Erblasser unzumutbar ist. Denkbar ist auch, dass eine Pflichtteilsentziehung deswegen angeordnet werden kann, weil der Pflichtteilsberechtigte seine ihm gegenüber dem Erblasser gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt hat.

Pflichtteilsentziehung erfordert Betrachtung des Einzelfalls

Ob eine Pflichtteilsentziehung aus den vorgenannten gesetzlich definierten Gründen in Betracht kommt, hängt immer vom jeweiligen Einzelfall ab. Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. So hatte z. B. das Landgericht Mosbach in einer Entscheidung von 2014 festgelegt, dass der Diebstahl von Fleisch- und Wurstwaren aus dem elterlichen Betrieb, deren Gegenwert nicht genau ermittelt werden konnte, noch nicht ausreichend sein solle, um dem Betreffenden den Pflichtteil zu entziehen. Damals hatte der Pflichtteilsberechtigte auch gegenüber dem Erblasser geäußert, er werde ihn erschlagen. Aber auch hier sah es das Landgericht nicht als erwiesen an, dass damit schon die Voraussetzung erfüllt wäre, dass der Pflichtteilsberechtigte nach dem Leben des Erblassers getrachtet hätte. Daher kam das Landgericht Mosbach zu dem Ergebnis, das man hier allenfalls von einer Beleidigung ausgehen könne. Eine Beleidigung sei aber in der Regel nicht als schweres Vergehen anzusehen und damit nicht Grundlage für eine Pflichtteilsentziehung. In einem anderen Fall, bei dem es ebenfalls um Diebstahl ging hatte das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden, dass die Pflichtteilsentziehung zulässig war. Hier ging es um den Diebstahl von rund 6.000 DM, der im Vergleich zu den Lebensumständen der Erblasserin von besonderem Gewicht war. In dem Zusammenhang hatte auch das Oberlandesgericht Stuttgart die Frage zu klären, ob eine Verzeihung gegeben ist. Denn eine Verzeihung, die auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann, würde eine Pflichtteilsentziehung wieder aushebeln. Hintergrund war, dass der betreffende Pflichtteilsberechtigte nach dem Diebstahl in die gleiche Immobilie der Erblasserin eingezogen ist. Das allein genügte aber noch nicht als Beleg dafür, dass die Erblasserin dem Pflichtteilsberechtigten verziehen hatte. Denn insoweit käme es darauf an, dass eine Wiederannäherung stattfindet, dass man zur Normalität zurückkehrt und wieder eine familiäre Beziehung aufbaut.

Pflichtteilsentziehung muss im Testament angeordnet sein

Wichtig ist in jedem Falle, dass die Pflichtteilsentziehung im Testament angeordnet sein muss, die Voraussetzungen müssen gegeben sein und die Einzelheiten müssen klar und nachvollziehbar im Testament genannt sein. Es sind also neben den inhaltlichen Voraussetzungen auch unbedingt die formalen Anforderungen zu beachten.

Kommt im Einzelfall eine Pflichtteilsentziehung nicht in Betracht, so sollte der Erblasser die weiteren Möglichkeiten in Betracht ziehen, den Pflichtteil zumindest zu verringern oder dessen Geltendmachung wirtschaftlich unattraktiv zu gestalten. Im Einzelfall können dies sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln sein oder eine Einigung mit dem Pflichtteilsberechtigten dahingehend, dass dieser, gegebenenfalls gegen entsprechende Abfindung, einen notariellen Pflichtteilsverzicht abgibt. Der Pflichtteilsanspruch kann auch dadurch verringert werden, dass das Vermögen lebzeitig schon an Dritte übertragen wird und die Zehnjahresfristen, die im Bereich der Pflichtteilsergänzung gelten, ausgeschöpft werden. Auch hier gilt aber zu beachten, dass nicht jede Schenkung, die schon zehn Jahre zurückliegt automatisch bei der Berechnung des Pflichtteils bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruchs außen vor bleibt. Hier sind die gesetzlichen und von der Rechtsprechung entwickelten Besonderheiten dringend zu beachten.

Im Einzelfall lohnt sich also eine genaue Prüfung, welche Möglichkeiten bestehen, um den letzten Willen entsprechend zu testieren oder von der Möglichkeit der lebzeitigen Übergabe rechtzeitig Gebrauch zu machen.
 

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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