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15.02.2011 | Von: Rechtsanwältin Ulrike Specht

Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers grundsätzlich nicht sittenwidrig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 19.01.2011 (Az. IV ZR 7/10) in Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung zum sog. „Behindertentestament“ entschieden, dass der Pflichtteilsverzicht eines Eingliederungshilfe beziehenden lernbehinderten Kindes nicht gegen die guten Sitten verstößt und eine Überleitung des Pflichtteilsanspruchs auf den Sozialhilfeträger daher ausscheidet.

Der Beklagte errichtete mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament, mit dem sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben und die drei Kinder als Schlusserben einsetzten. Für eine der Töchter, die unter einer Lernbehinderung leidet, jedoch nicht unter gerichtlicher Betreuung steht und auch nicht in der Geschäftsfähigkeit eingeschränkt ist wurde jedoch angeordnet, dass sie lediglich als nicht befreite Vorerbin berufen sein solle. Zudem wurde für sie Testamentsvollstreckung angeordnet und der Testamentsvollstrecker angewiesen, ihr zur Verbesserung der Lebensqualität aus dem Nachlass Leistungen zu gewähren. Diese sollten weder dem Zugriff des Sozialhilfeträgers noch der Anrechenbarkeit auf Sozialleistungen unterliegen. Diese Tochter erhält seit dem Jahr 1992 aufgrund der Lernbehinderung Eingliederungshilfe. Alle drei Geschwister verzichteten nach der Testamentsbeurkundung auf ihren jeweiligen Pflichtteil nach dem Erstversterbenden. Noch am selben Tage verstarb ihre Mutter.

Der Kläger leitete den Pflichtteilsanspruch der Tochter auf sich über und machte mit der Klage die genannten Leistungen geltend. Er stützte seine Argumentation darauf, dass der Pflichtteilsverzicht sittenwidrig sei, da dieser ausschließlich dazu diene, unter Verstoß gegen das sozialrechtliche Nachranggebot den Zugriff des Sozialversicherungsträgers wenigstens auf den Pflichtteilsanspruch der Leistungsempfängerin zu verhindern, und sich somit als Vertrag zu Lasten Dritter darstelle.

Die Klage blieb jedoch erfolglos. Der Pflichtteilsverzicht, so der erkennende Senat, sei wirksam. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege weder mit dem Testament noch mit dem Pflichtteilsverzicht vor.

Mit dieser Haltung führt der Gerichtshof seine ständige Rechtsprechung (seit BGHZ 111, 36) zum sog. „Behindertentestament“ konsequent fort. In diesen Testamenten ist die Nachlassverteilung durch eine Kombination von Vor- und Nacherbschaft bei gleichzeitiger Dauertestamentsvollstreckung für das behinderte Kind vorgesehen. Zweck dieser Verfügungen ist es, dem Kind Vorteile aus dem Nachlassvermögen zukommen zu lassen, auf die der Sozialhilfeträger nicht zugreifen kann. Ein Vertrag zulasten Dritter liege gerade nicht vor. Zudem seien insoweit die Grundsätze der Privatautonomie als auch der Erbfreiheit zu beachten.

Für die Praxis bedeutet dies, dass auch weiterhin entsprechende testamentarische Regelungen für behinderte Kinder getroffen werden können, um den Zugriff des Sozialhilfeträgers auszuschließen, bzw. gering zu halten.

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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