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19.10.2009 | Von: Rechtsanwältin Ulrike Specht

Sittenwidrige Ausschlagung einer Erbschaft durch Sozialhilfebezieher


Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluss vom 16.07.2009 (Az. I 15 Wx 85/09) entschieden, dass die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft gegen die guten Sitten verstößt, wenn die Ausschlagung dazu führt, dass die Sozialhilfebedürftigkeit des vorläufigen Erben fortbesteht. Nur im Ausnahmefall sei die Ausschlagung könne anderes gelten.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Betroffene ist aufgrund eines Verkehrsunfalls schwerstbehindert. Nach dem Tode der Mutter sind der Betroffene und dessen Bruder gesetzliche Erben zu je ½. Der für den Schwerstbehinderten bestellte Ergänzungsbetreuer erklärte für den Betroffenen die Ausschlagung der Erbschaft und beantragte die erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung. Das Amtsgericht hat die Genehmigung der Ausschlagungserklärung mit der Begründung, die Ausschlagung sei sittenwidrig, verweigert. Hiergegen wendete sich der Ergänzungsbetreuer namens des Betroffenen.

Das OLG wertet die Ausschlagung ebenfalls als sittenwidrig und begründet seine Entscheidung damit, dass die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft dann sittenwidrig sei, wenn dies dazu führt, dass ein ansonsten für eine nicht unerhebliche Zeit ausgeschlossener Sozialleistungsanspruch fortbesteht. Nach Auffassung des OLG nimmt der auf Sozialleistungen Angewiesene für sich die durch das Sozialstaatsprinzip verbürgte Solidarität der staatlichen Gemeinschaft in Anspruch. Lehnt er es in dieser Situation ab, einen ihm angetragenen Vermögenserwerb anzunehmen, so verweigert er umgekehrt der Gemeinschaft eben diese Solidarität. Ein derart widersprüchliches Verhalten sei mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren, es sei denn, es kann im Einzelfall auf besondere Gründe gestützt werden.

Die Frage, ob die Ausschlagung einer Erbschaft durch einen Sozialhilfeempfänger sittenwidrig ist, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Der BGH hat z. B.  mit Beschluss vom 25.06.2009 (wir berichteten) entschieden, dass keine insolvenzrechtliche Pflicht eines Schuldners zur Geltendmachung eines erbrechtlichen Pflichtteilsanspruchs besteht. Ebenso sei das sogenannte Behindertentestament in der Regel als sittenkonform anzusehen (z. B. BGH NJW 1994, 248 ff.). Das OLG Hamm gelangt nun aber zu einer völlig anderen Bewertung, obgleich es im Kern um gleichgelagerte Ansprüche geht. Während beim sog. Behindertentestament Ansprüche auf ein Mindestmaß wirksam reduziert werden können, und der Betroffene letztlich auf Sozialleistungen angewiesen ist, soll der durch den Erben erkärte Verzicht, der ebenfalls zur Abhängigkeit von Sozialleistungen führen würde, sittenwidrig und damit unwirksam sein.

Für die Praxis bedeutet dies, dass aufgrund der unterschiedlichen Entscheidungen zu diesem Themenkreis, rechtliche Sicherheit nur geschaffen werden kann, wenn die Nachfolge durch ein sog. Behindertentestament geregelt wird.

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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