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18.04.2019 | Von: Rechtsanwältin Ulrike Specht

Viele Testamente – viel Streit

Präzsise Regelungen im Testament sind essentiell, um Streit zu vermeiden.

Präzsise Regelungen im Testament sind essentiell, um Streit zu vermeiden.

Wer ist berechtigt die Landwirtschaft des Erblassers weiter zu betreiben und welche dingliche Sicherungsmöglichkeit steht ihm zu? Mit dieser Frage hatte sich das Oberlandesgericht München (OLG), Urteil vom 09.01.2019 (Az. 7 U 4091/17), zu befassen.

Erblasserin errichtet insgesamt 5 Testamente

Die Erblasserin hatte zwei Söhne und war bezüglich der Formulierung ihres letzten Willens sehr fleißig. Sie hat insgesamt fünf Testamente errichtet. Zunächst setzte sie ihren Sohn Johann als Erben ein und wandte dem anderen Sohn, Andreas, ein Vermächtnis zu. Mit dem sechs Jahre später errichteten Testament hob sie diese Anordnung auf und bestimmte, dass gesetzliche Erbfolge gelten sollte. Wiederum ein Jahr später, mit Testament vom 10.2.2009, setzte sie die Söhne zu Erben zu gleichen Teilen ein, bestimmte jedoch, „mein Sohn Johann [soll]die Landwirtschaft im G. [sic] W.straße 24 mit allen dazu gehörigen Grundstücken auf Lebenszeit auf eigene Rechnung weiter bewirtschaften. Während dieser Zeit trägt er alle Kosten der Erhaltung der Erhaltung [sic] der landwirtschaftlichen Gebäude. Für meinen Sohn Johann ordne ich für seine Hälfte nicht befreite Vorerbschaft an. ...“ und mit weiterem Testament ergänzte sie „ ... Das Recht auf Auseinandersetzung des Nachlasses soll auf Lebenszeit von Johann und Andreas M. ausgeschlossen sein. Alle Ansprüche zwischen den Erben und Nach- und Ersatzerben aus Auseinandersetzung, Pflichtteilsberechtigung und sonstigen Ansprüchen sollen für das landwirtschaftliche Anwesen W.str. 24 mit allem Flächen auf der Grundlage des Ertragswertes [unleserlich: berechnet? bestimmt?] werden. ...“

Uneinigkeit über das Nutzungsrecht bzgl.  des landwirtschaftlichen Betriebs

Die beiden Brüder waren sich zwar insoweit einig, dass bezüglich der Erbeinsetzung das Testament vom 10.2.2009 gilt und sie Erben zu gleichen Teilen sind. Uneinigkeit und damit Gegenstand des Verfahrens war jedoch die Frage, in wieweit das Nutzungsrecht bezüglich des landwirtschaftlichen Betriebs besteht. Diesen Betrieb hatten die Erblasserin und ihr Sohn Johann zunächst in Rechtsform der GbR geführt. Der Gesellschaftsvertrag regelte für den Fall des Todes eines Gesellschafters, dass die Gesellschaft nicht aufgelöst wird, „sondern mit einem von ihm durch Verfügung von Todes wegen als Nachfolger bestimmten Abkömmling, anderenfalls mit seinen gesetzlichen Erben fortgesetzt [wird].“

Unklarheiten bei den verwendenten Begrifflichkeiten im Testament

Der Kläger (Sohn Johann) verklagte seinen Bruder auf Zustimmung zur Bestellung eines unentgeltlichen lebenslangen Nießbrauchs an dem land- und forstwirtschaftlichen Grund und Boden und argumentierte zuletzt damit, dass ihm insoweit ein Vorausvermächtnis, also ein Sondervorteil über den Erbteil hinaus, zustünde. Das Landgericht wies diesen Antrag zurück und ging davon aus, dass schon wegen der ansonsten mit Fachbegriffen versehenen Testamente der Begriff „Vermächtnis“ nicht verwendet worden sei und daher davon aus nicht auszugehen sei.

GbR-Anteil der Landwirtschaft soll an den durch Testament bestimmten Abkömmling fallen

Dem folgte das OLG nicht. Auf die gewählten Begrifflichkeiten käme es hier nicht entscheidend an. Denn dem Kläger sollte, so das OLG, über seinen Erbteil hinaus ein Sondervorteil zugewandt werden, also ein Vorausvermächtnis. Das OLG begründete dies damit, dass der Erbe Johann eben nicht nur ein Nutzungsrecht haben sollte, sondern, dass er nach Willem der Erblasserin die Landwirtschaft weiter betreiben solle und zwar „auf eigene Rechnung“ und dass er die „Kosten tragen“ solle. Damit weiche die Erblasserin von der gesetzlichen Regelung der §§ 2038 Abs. 2, 743 Abs. 1, 748 BGB ab, wonach bei ungeteilter Erbengemeinschaft die Miterben sich die Früchte und die Kosten zu teilen haben. Damit geht sie über eine schlichte Verwaltungsanordnung hinaus, nimmt die „Landwirtschaft“ aus dem gemeinschaftlichen Nachlass heraus und wendet diese dem Kläger zu, so das OLG. Argument dafür sei auch die lebzeitig gemeinsam betriebene GbR. Auch danach sollte gelten, dass der GbR-Anteil an den durch Testament bestimmten Abkömmling fallen solle.

Sondervorteil für den Kläger

Im Ergebnis folgte das OLG aber der Auffassung des anderen Bruders, dass zwar ein Sondervorteil für den Kläger, jedoch kein Anspruch auf einen vollumfänglichen Nießbrauch bestünde. Dies sei v. a. deswegen der Fall, weil von der Anordnung eines Nießbrauchs nur dann ausgegangen werden könne, wenn sich feststellen lässt, dass die Erblasserin ein umfängliches Nutzungsrecht des Klägers im dargestellten Sinne an den streitgegenständlichen Grundstücken wollte. Dies sei hier aber nicht der Fall, da z. B. bezüglich des Hausgrundstücks keine solche Regelung getroffen wurde. Vielmehr bezog sich die Erblasserin nur auf die landwirtschaftlichen Gebäude.

Präzise Formulierungen im Testament essentiell

Der Beschluss vom OLG zeigt einmal mehr, dass die Regelung des letzten Willen Streit unter den Erben nur dann vermeiden hilft, wenn die Formulierungen präzise sind.

 

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Ulrike Specht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

specht@paluka.de
Ulrike Specht

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