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05.02.2021 | Von: Rechtsanwältin Sabine Sobola

Kein Schadensersatzanspruch bei unentgeltlicher Lizenzierung

Werden geistige Schutzrechte, kostenlos an Dritte zur Verfügung gestellt, kann der Rechteinhaber keine Ansprüche auf Schadensersatz wegen rechtswidriger Verwendung geltend machen.

“Verzichtet der Inhaber eines Schutzrechtes auf dessen entgeltliche Verwertung entsteht bei rechtswidriger Nutzung des Rechtes kein Schaden und damit auch kein Recht auf Schadensersatz“ 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Herausgeberin des Öko-TEST-Magazins sowie Inhaberin mehrerer markenrechtlich geschützter Öko-TEST Label. Die Hersteller*innen getesteter Produkte dürfen mit ÖKO-TEST-Label werben, wenn diese mit der Klägerin einen unentgeltlichen Lizenzvertrag abschließen.

Die Beklagte ist Zahnpasten-Herstellerin. Eine ihrer Zahnpasten wurde im Jahr 2005 von der Klägerin getestet und für „sehr gut“ befunden. Daraufhin wurde zwischen den Parteien ein unentgeltlicher Lizenzvertrag geschlossen, der der Beklagten die Nutzung eines Öko-Test-Labels zu Werbezwecken erlaubte. Laut Lizenzvertrag ist die Nutzung allerdings nur solange gestattet, bis der entsprechende Produkttest durch einen neuen Test überholt wurde, oder die Merkmale und Beschaffenheit des getesteten Produkts sich geändert haben.

Im Oktober 2014 erfuhr die Klägerin, dass die Zahnpasta der Beklagten auch auf Webseiten Dritter vertrieben wurde, allerdings mit einer anderen Aufschrift und Aufmachung des Produkts, die weder bildlich noch inhaltlich dem ursprünglich getesteten Produkt entsprach. Das Öko-TEST-Label befand sich trotzdem auf der Vorderseite der Verpackung.

In Folge dessen mahnte die Klägerin die Beklagte wegen unberechtigter Nutzung des Öko-Test-Label ab. Nachdem außergerichtlich keine Einigung erzielt werden konnte, erhob sie Klage.

Entscheidung

Das OLG gab der Klage, welche auf Auskunft, Unterlassung und Schadensersatz gerichtet war, in der 2. Instanz nur teilweise statt.

Insbesondere verneinte das Gericht einen Anspruch auf Schadensersatz.

Normalerweise kann der Markeninhaber bei der rechtswidrigen Nutzung einer Marke einen Schadensersatzanspruch gegen den Verletzter geltend machen. Dabei wird der Schaden mit Hilfe der dreifachen Schadensberechnung ermittelt (tatsächlicher Schaden, Verletzergewinn oder Lizenzanalogie)

Das OLG Düsseldorf führte im vorliegenden Fall nun an, dass ein Schadenersatzanspruch - egal mit welcher Methode er berechnet wird - immer eine Vermögenseinbuße beim Verletzen voraussetzt. Verzichtet aber der Verletzte, so wie auch die Klägerin vorliegend, auf jegliche kommerzielle Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts, kann der objektive Wert einer Nutzung (im Sinne einer Lizenz bzw. Lizenzgebühr) nur mit Null angesetzt werden (Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.06.2017, 4 U 72/16).

Das bedeutet, dass wenn ein Rechtsinhaber ausschließlich eine unentgeltliche Nutzung seiner Marke oder seines Rechts anbietet und damit auf eine entgeltliche Verwertung seines Ausschließlichkeitsrechts verzichtet, es gar nicht erst zu einem zu ersetzenden Schaden kommt.

Darüber hinaus führt das OLG an, dass gerade die Lizenzanalogie nicht als Schadensberechnungsmethode angewendet werden kann, da es bei dieser Methode gerade darauf ankommt, dass die Situation fingiert wird, in der die beiden Parteien eine Lizenzgebühr für die Nutzung vereinbart hätten. Existiert aber nur eine unentgeltliche Lizenzierung, liegt auch die fiktive Lizenzgebühr bei null. Eine Berechnung auf Basis des Verletzergewinns sei bei unentgeltlicher Lizenzierung ebenfalls auszuschließen, da diese Berechnungsmethode auf dem Gedanken beruht, dass dann, wenn es nicht zur jeweiligen Verletzung gekommen wäre, der Verletzte einen Gewinn realisiert hätte. Wird aber auf kommerzielle Verwertung verzichtet, kann der Rechtsinhaber effektiv keinen Gewinn erzielen, es entsteht ihm dementsprechend auch kein Schaden.

Verzichtet der Inhaber eines Schutzrechts also auf dessen monetäre Verwertung, entsteht ihm durch die rechtswidrige Nutzung des Schutzrechtes kein Schaden.

Das Urteil gab der Klägerin allerdings hinsichtlich Ihres Anspruchs auf Unterlassen und Auskunft aufgrund des markenrechtlichen Lizenzverstoßes durch die Beklagte recht.

Einordnung in Rechtssystematik

Das Urteil und die Argumentation des OLG Düsseldorf ist in großen Teilen an die Entscheidung des OLG Hamm vom 13.06.2017 angelehnt, in der das Gericht der Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verstoß gegen die Lizenzvereinbarung einer kostenlos zur Verfügung gestellten Open-Source-Software absprach. (OLG Hamm, Urteil vom 13.06.2017, 4 U 72/16).

Im Fall des OLG Hamm vertrieb die Klägerin eine GPL-lizenzierte Software. Die Beklagte stellte diese GPL-lizenzierte Software auf ihrer Website zum Download zur Verfügung, ohne dabei auch den Quelltext oder Lizenztext der GPL öffentlich zu machen, wozu sie aber laut Lizenzvertrag verpflichtet war. Das OLG Hamm entschied, dass bei einer Urheberrechtsverletzung durch einen Verstoß gegen die GPL zwar die Nutzungsrechte für den Beklagten wegfallen, aber kein Anspruch auf Feststellung eines Schadenersatzanspruchs oder auf Zahlung eines Lizenzschadens besteht.

Argumentiert wurde hier ebenfalls damit, dass der vorhandene Urheberrechtsverstoß keinen Schadensersatzanspruch nach Urheberrecht begründet, da nicht ersichtlich sei, dass durch den Rechtsverstoß der Beklagten ein Schaden entstanden ist. Auch hier hatte die Klägerin auf jegliche entgeltliche Verwertung ihres Nutzungsrechtes verzichtet, indem sie ihre Software kostenlos zur Verfügung stellte, sodass aufgrund der Lizenzanalogie und der Gebührenfreiheit der Software der „objektive Wert der Nutzung nur bei null angesetzt werden kann (Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.06.2017, 4 U 72/16).

Mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf ist nun sehr deutlich geworden, dass die von unterinstanzlichen Gerichten anfangs vertretene Ansicht, nach der Inhabern von unentgeltlichen Lizenzen ein Schadensersatz nach der Lizenzanalogie zugesprochen wurde (vgl. LG Bochum, Urteil vom 03.03.2016, Az.: I-8 O 294/5; LG Hamburg, Urteil vom 14.06.2013, Az.:308 O 10/13) von der Auffassung der höheren Gerichte, dass ein Lizenzverstoß einen Unterlassung- aber kein Schadensersatz auslöst, verdrängt wurde.

Fazit

Werden geistige Schutzrechte, wie z.B. Marken- oder Urheberrechte, kostenlos an Dritte zur Verfügung gestellt, kann der Rechteinhaber keine Ansprüche auf Schadensersatz wegen rechtswidriger Verwendung geltend machen, vorausgesetzt der Rechteinhaber stellt alle erdenklichen Nutzungen zur unentgeltlichen Lizenzierung zur Verfügung.

Kann also kein Schaden berechnet werden, liegt effektiv kein Schaden vor, der eingeklagt werden könnte

Während man die Entscheidung des OLG Düsseldorf (bzw. OLG Hamm) nachvollziehen kann und der grundsätzlichen Schadenersatzpflicht bei kostenfreien Lizenzierungen entgegensteht, kann gleichzeitig an der Effektivität und der Nützlichkeit dieser Entscheidung gezweifelt werden. Durch dieses Urteil wird fast schon der Impuls geschaffen, sich nicht an die Lizenzbedingungen zu halten, da man bei etwaigen Rechtsverstößen weitgehend ohne rechtliche Konsequenzen davonkommt. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass sich im Moment die Anwendung dieses Urteils ausschließlich auf vollständig kostenlos zur Verfügung gestellte Lizenzierungen beschränkt. Inwieweit diese Rechtsprechung auf andere Fälle übertragbar ist, bleibt abzuwarten.

 

Urteilsbesprechung:
OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2020, Aktenzeichen: I-20 U 152/16

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